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Im Gespräch mit Matthias Naab zu Plattformen

Falk Sippach Falk Sippach
18.11.2024

Lesezeit: 7 Minuten

Matthias Naab, Softwarearchitekt bei Full Flamingo, hält auf dem Architektur-Punsch 2024 einen Vortrag zu "Landkarte für den Plattform-Dschungel: Orientierung im Plattform-Begriffswirrwarr". Falk Sippach hat sich dazu mit ihm unterhalten.

 

Falk: “Hallo Matthias, schön dass wir uns treffen. Stell Dich bitte kurz vor."

Matthias: Ich bin Matthias, einer der drei Gründer von Full Flamingo, einer kleinen Beratungsfirma. Wir konzentrieren uns auf Themen wie Digital Design, Softwarearchitektur und Big Picture Engineering. Unser Schwerpunkt liegt dabei darauf, das große Ganze von Softwaresystemen in Unternehmen zu betrachten und zu gestalten.

Plattformen sind eines der Themen, mit denen ich mich intensiv beschäftige. Also alles von deren Konzeption bis hin zur Umsetzung und Integration in komplexe Unternehmenslandschaften.

Falk: “In deinem Vortrag sprichst du von einer “Landkarte” für den Plattform-Dschungel. Was war der Auslöser, der dich dazu gebracht hat, eine solche Orientierungshilfe zu entwickeln?"

Matthias: Es war tatsächlich kein einzelner Auslöser, der mich dazu gebracht hat, sondern vielmehr eine Serie von Gesprächen und Begegnungen über einen längeren Zeitraum. Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, dass Begriffe wie “Plattform” und “Plattformökonomie” häufig durcheinandergebracht werden. Das führt oft dazu, dass Menschen aneinander vorbeireden und viel Zeit benötigen, um eine gemeinsame Sprache zu finden. In Unternehmen kann dies sogar dazu führen, dass Probleme lange bestehen bleiben, weil die unterschiedlichen Begriffsverständnisse gar nicht erkannt werden.

Der Begriff “Plattform” ist dabei besonders herausfordernd. Jeder hat sofort eine Idee, was damit gemeint sein könnte, denn er ist tief im allgemeinen Sprachgebrauch verankert – nicht nur in der IT. Plattformen begegnen uns überall: als Aussichtsplattform, als Zugplattform, oder als Metapher, wenn jemandem eine Plattform zum Sprechen gegeben wird. Das führt zu ganz unterschiedlichen Bedeutungen, die oft nur aus dem jeweiligen Kontext heraus verständlich werden.

Wenn man dann noch den IT-Kontext hinzufügt, wird die Situation umso komplizierter. Die Vielzahl an Definitionen und Perspektiven macht es schwierig, ein einheitliches Verständnis zu entwickeln. Das hat mich dazu gebracht, zu überlegen, wie man diese Begriffsverwirrung systematisch klären kann.

Falk: “Du sagst, der Begriff “Plattform” wird häufig inflationär verwendet. Was sind deiner Meinung nach die größten Missverständnisse?"

Matthias: Ein häufiges Problem bei Missverständnissen rund um den Begriff “Plattform” ist die Vielfalt der Wortkombinationen und die unterschiedlichen Bedeutungen, die dahinterstecken. Manche verwenden einfach nur das Wort “Plattform”, während andere von spezifischen Begriffen wie der “Apple-Plattform” oder der “Java-Plattform” sprechen. Dabei handelt es sich teils um Technologien, teils um ganze Kategorien von Technologien. Wir begegnen dem Begriff sowohl in isolierter Form als auch in Kombination mit spezifischen Technologiebereichen oder allgemeinen Konzepten.

Hinzu kommt, dass Plattformen auf sehr unterschiedlichen Abstraktionsebenen betrachtet werden. Beispielsweise gibt es Plattformen wie die Google Cloud Platform oder AWS, die stark technologisch geprägt und umfassend sind, mit vielen Diensten und Funktionen. Auf der anderen Seite stehen Plattformen aus der Plattformökonomie, die sich auf die Vermittlung von Assets konzentrieren, wie Airbnb für Wohnungen, Uber für Mitfahrgelegenheiten oder der Apple App Store für Apps. Diese unterschiedlichen Perspektiven sind alle legitim, bringen aber komplett verschiedene Wirkprinzipien, Anforderungen und Zielsetzungen mit sich.

Das führt in Unternehmen oft zu gravierenden Kommunikationsproblemen. Ein häufiges Beispiel: Firmen beschließen, in die Plattformökonomie einzusteigen, weil sie deren Vorteile erkennen. Gleichzeitig sprechen sie über “Platform Engineering”, um eine gemeinsame Plattform für verschiedene Produktteams zu schaffen. Obwohl beide Ansätze berechtigt sind, unterscheiden sie sich grundlegend in ihrer Zielsetzung. Ohne eine präzise Klärung der Begriffe und Ziele reden Teams oft monatelang, wenn nicht sogar jahrelang aneinander vorbei.

Die Konsequenzen sind verheerend: überambitionierte oder unerreichbare Ziele, falsche Erwartungen und große Probleme bei der Umsetzung. Um solche Missverständnisse zu vermeiden, ist es entscheidend, Begriffe klar zu definieren und die unterschiedlichen Zielsetzungen transparent zu machen.

Falk: “Du hast jetzt ein paar Mal den Begriff Plattformökonomie erwähnt. Was verstehst Du darunter genau?"

Matthias: Plattformökonomie beschreibt ein wirtschaftliches Funktionsprinzip, das in digitalen Ökosystemen Anwendung findet. Dabei übernimmt eine zentrale Plattform eine technische Vermittlungsrolle und bringt in der Regel unabhängige Teilnehmer eines Ökosystems zusammen – häufig Anbieter und Konsumenten.

Ein bekanntes Beispiel ist Airbnb: Hier fungiert die Plattform als Vermittler zwischen Anbietern von Übernachtungsmöglichkeiten und Personen, die diese buchen möchten. Airbnb selbst besitzt keine eigenen Hotels oder Ferienwohnungen. Ihre Dienstleistung besteht ausschließlich darin, Angebot und Nachfrage digital zusammenzuführen. Dieses Modell ist hoch skalierbar, da es rein digital funktioniert, und es ermöglicht Airbnb, von den resultierenden Netzwerkeffekten erheblich zu profitieren.

Die Plattformökonomie ist jedoch nur eine von vielen möglichen Bedeutungen des Begriffs “Plattform”. In anderen Kontexten, wie etwa bei der Entwicklung technischer Plattformen (z. B. AWS oder Google Cloud Platform), ist der Begriff “Plattformökonomie” weniger passend. Dennoch wird er manchmal auch dort verwendet, was zu Missverständnissen führen kann.

Falk: “Wozu führen diese Mißverständnisse?"

Matthias: Diese begriffliche Unschärfe verstärkt die Verwirrung und erschwert die Kommunikation – insbesondere, wenn die Unterschiede zwischen Plattformökonomie und technischen Plattformen nicht klar herausgearbeitet werden.

Falk: “Und wie kann deine Landkarte dabei helfen, diese Missverständnisse zu überwinden?"

Matthias: Die Landkarte, die ich entwickelt habe, soll bewusst leichtgewichtig sein. Sie verzichtet darauf, eine Vielzahl von Definitionen für die unterschiedlichen Plattformbegriffe zu liefern. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, diese Begriffe anhand grundlegender Prinzipien voneinander abzugrenzen. Ohne zu viel vorwegzunehmen – ihr seid ja herzlich eingeladen, das beim Architekturpunch näher kennenzulernen – mache ich das, indem ich verschiedene Arten von Plattformen in Kategorien einteile.

Zum Beispiel unterscheide ich zwischen Plattformen, die sich stärker im Hardware-Bereich bewegen, und solchen, die primär softwarebezogen sind. Außerdem schaue ich, welche Plattformen eher den Betrieb in der Cloud umfassen, also von einem Anbieter für andere bereitgestellt werden. Ebenso ziehe ich eine Linie zwischen rein technischen Plattformen und solchen, die der Plattformökonomie zuzuordnen sind.

Das Ziel ist es, diese Unterscheidungen mit klar verständlichen Beispielen zu illustrieren, die den meisten bekannt sein dürften. So kann man die verschiedenen Plattformbegriffe in der Landkarte verorten und besser verstehen, wie sie sich voneinander abgrenzen. Am Ende füge ich diese Elemente zu einer Art “kontinentaler Übersicht” zusammen, die größere Themenbereiche abbildet. Das hilft dabei, sich die Strukturen einzuprägen und diese Landkarte später in der täglichen Arbeit als Orientierung zu nutzen.

Die Landkarte wird nicht nur erklärt, sondern auch als physisches Werkzeug bereitgestellt. Jeder kann sie mitnehmen, irgendwo aufhängen und sie als Grundlage für Diskussionen oder die eigene Arbeit verwenden. Gerade für uns als Softwarearchitekten, die sich oft mit Plattformarchitekturen oder ähnlichen Konzepten befassen, bietet die Landkarte einen praktischen Mehrwert. Sie schafft Klarheit und Anknüpfungspunkte, egal ob es um konkrete Anwendungen wie Airbnb oder abstraktere Plattformkonzepte geht.

Falk: “Wie siehst du die Zukunft der Plattform-Architekturen? Gibt es Trends oder Entwicklungen, auf die sich Architekten in den nächsten Jahren besonders einstellen sollten?"

Matthias: Ein zentrales Thema ist, wie sich Plattformen verändern, wenn KI-Modelle eine größere Rolle spielen. Das betrifft fast alle Plattformarten und bringt auch neue Begriffe wie Datenplattformen hervor, die bisher weniger Beachtung fanden.

Auf dem Digitalgipfel wurde diese Woche eine neue Plattform für Europa vorgestellt. Solche Entwicklungen erfordern von Architekten ein gutes Verständnis dafür, wo KI-Modelle konkret eingesetzt werden und welche Herausforderungen damit verbunden sind. Der Begriff “KI” ist oft überladen und muss daher genau durchdacht werden.

Architekten müssen erkennen, wo sie Einfluss nehmen können und wie die verschiedenen Komponenten einer Plattform zusammenarbeiten. Dabei gibt es weniger klare Strukturen, als wir es aus der Softwarearchitektur gewohnt sind. Das macht die Aufgabe anspruchsvoll. Sie lässt sich nicht auf einmal lösen, sondern erfordert ständiges Lernen, den Austausch von Erfahrungen und die Erweiterung des eigenen Wissens.

Um mit diesen Veränderungen Schritt zu halten, müssen wir unsere gedankliche Landkarte für solche Systeme immer wieder anpassen. So können wir die Dynamik der Entwicklungen besser verstehen und gezielt handeln.

Falk: “Vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich sehr, dass Du bei Architektur Punsch dabei bist."

 

Architektur-Punsch 2024

Ein geselliger Vorweihnachtsnachmittag mit tollen Menschen, spannenden Vorträgen und vielen interaktiven Formaten.

Der Vortrag von Matthias Naab zur Landkarte für den Plattform-Dschungel ist Teil unseres Architektur-Punsches 2024 am 16. Dezember. Natürlich gibt es da noch weitere spannende Programmpunkte zu entdecken. Einfach anmelden! Details findet ihr hier …

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