Falk Sippach
28.05.2021
Virtuelle Konferenzen und Remote-Seminare
Remote ist das neue Vor-Ort, da uns die Corona-Pandemie nun bereits seit fast anderthalb Jahren in Atem hält. In der IT sind wir privilegiert und die Meisten arbeiten seit März 2020 dauerhaft im Homeoffice. Das soziale Leben ist seit dem aber eingeschränkt, gerade der persönliche Kontakt zu den Kollegen fehlt. Vor-Ort-Besuche von Schulungen, Konferenzen oder Meetups sind nahezu zum Erliegen gekommen. Anfangs dachten wir noch, der Spuk wird in ein paar Wochen vorbei sein. Über ein Jahr später wissen wir, dass diese Krise unser Leben und auch die Art und Weise, wie wir arbeiten, nachhaltig verändert hat und auch noch zukünftig verändern wird. Mittlerweile ist zwar dank der Impfungen ein Ende in Sicht. So genau kann aber niemand eine Prognose über die Rückkehr zur Normalität geben. Über das Internet hat man mit Videokonferenzen immerhin gewisse soziale Kontakte. Das dauerhafte Arbeiten vor dem Bildschirm kostet aber sehr viel Aufmerksamkeit, ist anstrengender und kann echte Treffen natürlich nicht ersetzen.
Wir bei embarc haben direkt im Frühjahr 2020 begonnen, unsere Seminare auf Remote-Durchführungen umzustellen. Das war zunächst aufwändig, hat sich aber aufgrund der immer noch andauernden Pandemie gelohnt. Am Anfang waren alle Beteiligten noch skeptisch. Mittlerweile haben wir aber jede Menge positive Erfahrungen gesammelt. Und gerade die Teilnehmer sind sehr überrascht, wie gut eine Remote-Schulung funktioniert. Natürlich muss man ein paar Dinge beachten und kann nicht ein Vor-Ort-Seminar 1:1 in die virtuelle Welt übertragen. Das sind zum einen die regelmässigen Pausen zum Abschalten (einmal pro Stunde empfohlen). Da sind aber auch die richtigen Werkzeuge, wie zum Beispiel die Breakout-Räume, um größere Runden in kleinere Gruppen zu unterteilen. Damit ist sichergestellt, dass sich alle am Austausch beteiligen können, da bei vielen Teilnehmern sonst die ruhigen und introvertierten Personen eher untergehen. Ein weiterer wichtiger Baustein sind digitale Whiteboards. Wir nutzen Mural, es gibt aber auch viele Alternativen (Miro, …). Welches Tool man letztlich verwendet, ist egal. Alle haben sich in den vergangenen 12 Monaten rasant weiterentwickelt und mit etwas Übung kann man schnell professionelle Inhalte erstellen.
Gerade für Schulungen haben wir typischerweise mindestens ein Dutzend dieser digitalen Whiteboards vorbereitet: Dashboards, Übungs-Sheets, Fallstudien, Wiederholungsaufgaben bzw. kleine Wissenstests. Unseren Teilnehmern schicken wir das intiale Dashboard vorab zu, so dass sie sich in einer kleinen Willkommensaufgabe damit vertraut machen können. Installieren muss man nichts, man kann direkt im Browser loslegen (Voraussetzung: eine möglichst moderne Version von Chrome oder Firefox). Und selbst als anonyme Teilnehmer könnt ihr die Dokumente gemeinsam mit den anderen bearbeiten. Bis zu 15 Personen sind gar kein Problem, wir waren aber auch schon mit über 30 Menschen auf einem größeren Board unterwegs. Dann wird es wuseliger und je nach Größe leidet ggf. die Performance. Die Tools werden aber auch immer weiter optimiert.
Die Bedienung ist einfach und intuitiv. Post-Its anhängen und beschriften bzw. Punkte/Figuren verschieben - damit lassen sich abwechslungsreiche und interaktive Übungen gestalten oder auch Meetings protokollieren. Wohlgemerkt ist das digitale Whiteboard dabei aber immer nur eine Hilfe, um die Teilnehmer zu aktivieren und in die Diskussion bzw. den Austausch zu bringen. Mit einfachen grafischen Elementen (Boxen, Kreisen, Linien, Pfeilen, …) lassen sich sogar komplexere Bilder erstellen, um zum Beispiel gemeinsam am Entwurf einer Software-Architektur zu arbeiten. Vorbei sind also die Kritzeleien auf Flipcharts, die man am Ende noch fotografieren musste, um sie digital verteilen bzw. archivieren zu können. Stattdessen lassen sie sich jederzeit wieder aufrufen (auch passwortgeschützt) und natürlich kann man auch einen Export (PDF, Bilddatei) anstossen oder einen Schreibschutz aktivieren, um nachträgliche Änderungen zu unterbinden.
Digitale Whiteboards verwenden wir im Übrigen mittlerweile auch für Kunden-Workshops, bei Konferenzbeiträgen oder auch zur gemeinsamen Vorbereitung mit den Kollegen bzw. für interne Inhalte. Es lässt sich einfach sehr leicht kollaborativ an den Dokumenten arbeiten und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen.
Viele klagen, dass sie trotz wegfallender Pendelwege aktuell sogar mehr arbeiten und zu Hause schlechter abschalten können. Durch die Remote-Arbeit kommt zudem der persönliche Austausch viel zu kurz, Gespräche im Flur oder der Kaffeeküche finden gar nicht mehr statt. Vor der Pandemie konnten wir außerdem bei User Group Treffen oder Konferenzen mit Sprechern und anderen Teilnehmern fachsimpeln und voneinander lernen. Stattdessen verbringen viele jetzt täglich mehrere Stunden in Videotelefonaten. Darum ist es verständlich, dass der Großteil der Teilnehmer bei Remote-Konferenzen oder -Meetups die Kamera und das Mikrofon lieber ausschalten. Das ist schade, verkommen Online-Vorträge so zur Einbahnstraße und bieten wenig Mehrwert gegenüber Aufzeichnungen bei Youtube und Co.
Vortragenden fehlt zudem der Rückkanal aus dem Publikum, stattdessen müssen sie gegen ihren Monitor ansprechen. Viele Sprecher tun sich daher im Moment schwer, überhaupt Vorträge bei Konferenzen einzureichen. Das wird sich nach der Pandemie sicher wieder normalisieren. Es ist aber davon auszugehen, dass es auch weiterhin Remote- oder Hybridkonferenzen (Hybrid = ein Teil Präsenz, einige sind nur Remote dabei) geben wird. Es gibt ja auch Vorteile, zum Beispiel kann man einfacher teilnehmen bzw. leicht zwischen den Vorträgen hin und her wechseln und sich jederzeit die Aufzeichnungen von verpassten Vorträgen anschauen. Außerdem muss man nicht reisen und schont so Geldbeutel und letztlich auch unser Klima.
Wie kann man trotzdem eine bidirektionale Interaktion zwischen Teilnehmern und Veranstaltern bzw. Sprechern schaffen? Die einfachste Möglichkeit ist Transparenz darüber, dass bei dem Vortrag noch andere Personen zuschauen. Normalerweise würden man in einem Raum sein und um sich herum Leute sehen. Bei einer Videokonferenz sieht man immerhin die Köpfe der anderen (sofern sie die Kamera eingeschaltet haben). Videokonferenzlösungen skalieren aber nicht bei größeren Teilnehmerzahlen, darum werden Konferenzvorträge typischerweise gestreamed. Da kann eine Anzeige helfen, wieviele Zuschauer sich auch für den Vortrag entschieden haben. Einige Konferenzplattformen liefern solche Informationen mittlerweile. Teilweise kann man sich sogar vorher für einen Vortrag anmelden und taucht dann in einer für alle Teilnehmer einsehbaren Liste auf. Wenn ich als Teilnehmer dann bekannte Namen entdecke, setze ich mich vielleicht eher virtuell dazu und kann mich dann später mit der betreffenden Person zu dem Thema austauschen. Die Sprecher haben außerdem die Möglichkeit, ihre Teilnehmer direkt anzusprechen und ggf. weitergehende Informationen zu schicken.
Durch einen Chat merkt man auch, dass da draußen noch andere sind. Am Anfang können alle ein “Hallo” in die Runde schreiben oder ihren aktuellen Aufenthaltsort nennen. Während eines Vortrags werden Fragen gepostet und teilweise von anderen Teilnehmern bereits beantwortet. Es entwickelt sich daraus häufig sogar eine lebendige Diskussion. Und die Sprecher bekommen am Ende wenigstens auch einige Daumen nach oben, Smileys oder Dankeschöns statt dem sonst üblichen Applaus. Immerhin auch eine wichtige Form des Feedbacks und der Wertschätzung.
Natürlich sollten auch die Sprecher ihre Zuschauer aktivieren, beispielsweise Stimmungsbilder über Umfragen einholen (das klassische Handheben vor Ort). Alternativ lassen sich auch Quizzes oder kleine Verlosungen einbetten. Beim Streaming muss man leider den Versatz von mehreren Sekunden (teilweise auch Minuten) beachten. Auch hierfür gibt es interessante Tools wie Mentimeter oder Aha Slides, theoretisch reicht aber auch schon ein Web-Formular (Google Forms, …) oder wiederum ein virtuelles Whiteboard, welche ebenfalls Voting Funktionalitäten bietet oder wenigstens simulieren kann.
Nichtsdestotrotz sitzt man weiterhin allein zu Hause und kann sich außer über Fragen an den Sprecher (z. B. im Chat) nicht wirklich mit anderen Leuten austauschen. Man lässt sich leichter ablenken, sei es von der Hausarbeit, der Familie oder den Kollegen, die schnell noch ein Meeting dazwischen schieben. Hier müssen die Veranstalter entsprechende Maßnahmen ergreifen, um die Konferenzteilnehmer “vor ihrem Bildschirm zu fesseln”. Mögliche Ansätze sind kurzweilige Interviews, die in den Pausen für Abwechslung sorgen (z. B. Live-Übertragung aus einem Aufnahmestudio bei der JavaLand). Mit Gewinnspielen kann man zudem auch die Aussteller einbinden. Die wiederum können auch schon im Vorfeld ihre üblichen Gimmicks in Form eines Care-Pakets an die Teilnehmer nach Hause schicken. Vielleicht noch ergänzt um einen Lieferdienst-Gutschein, so dass alle gemeinsam vor dem Bildschirm zu Mittag essen können.
Die verschiedenen Konferenzplattformen (Hopin.to, iChair/SCOOCS, BigMarker, Talque …) haben sich in den vergangenen Monaten ebenfalls stark weiter entwickelt. Sie gehen unterschiedliche Ansätze, um die Teilnehmer zu vernetzen. So lassen sich bei einigen direkt 4-Augen-Videotelefonate starten. Wenn man niemanden kennt, kann man über das sogenannte Chat-Roulette zufälligen Personen zugelost werden und so interessante Zufallsbekanntschaften machen. Außerdem gibt es mittlerweile alternative Videokonferenzlösungen, die über die klassischen Funktionen hinausgehen und mehr Spielraum für Kreativität und niederschwelligen Austausch bieten. Bei Gather.town oder Workadventure befindet man sich dabei mit einem Avatar in einer kleinen 2D-Welt, kann herumspazieren, sieht andere Personen, kann sich somit über den Weg laufen und natürlich auch direkt per Video unterhalten.
Solche 2D-Welten kann man dabei nicht nur für Networking-Events (Abendveranstaltung, Get-Together) verwenden sondern potentiell auch parallel für die ganze Konferenz zur Verfügung stellen. Es gibt dabei auch schon Beispiele, wo die Vor-Ort-Lokation als virtuelle Welt nachgebaut wurde, so dass man tatsächlich zu Vorträgen hinlaufen kann. Im Vortragsraum sieht man tatsächlich die 2D-Figuren der anderen herumstehen - das ist schon verdammt nahe an der echten Wirklichkeit.
Für interaktive Formate (BoF Sessions, Round Tables, Fragerunden mit den Sprechern, …) kann man sich ganz einfach in kleineren Gruppen direkt in der Welt zusammensetzen.
Wenn ihr diese Ideen mal live erleben und zugleich Wissenswertes aus dem Bereichen Softwarearchitektur, Machine Learning und Organisationsentwicklung erfahren möchtet, dann schaut bei unserem Architektur Midsommar am 24. Juni vorbei. Das Event ist grundsätzlich kostenfrei. Mit einer Spende könnt ihr aber Gutes tun. Denn wir geben alle Einnahmen direkt an Hanseatic Help weiter.
Unser Midsommar wird in Gather.town eingebettet sein und wir arbeiten gerade an einer eigens auf unser Event zugeschnittenen Karte mit vielen liebevollen Details. Als zentrale Anlaufstelle, für den Programmplan und zusätzliche Informationen werden wir natürlich ein digitales Whiteboard zur Verfügung stellen. In 9 Vorträgen gibt es geballtes Wissen von renomierten Sprechern und zum Entspannen ein unterhaltsames Abendprogramm. Uns ist dabei besonders wichtig, den Austausch zu fördern. Darum werden unsere Vorträge und Workshops möglichst interaktiv gestaltet sein. In den Pausen könnt Ihr bei den Verlosungen Bücher gewinnen oder Euch einfach mit anderen Midsommar-Besuchern austauschen. Wir freuen uns auf Euren virtuellen Besuch. Und bei Fragen oder Anmerkungen könnt Ihr uns natürlich jederzeit per Email oder über unser Kontakt Formular ansprechen.
Hier gibt es übrigens noch einige ausgewählte Stimmen von unserer letzten Veranstaltung, dem Architektur-Punsch im Dezember 2020:
… eine rundherum super organisierte Veranstaltung.
Ich fand die Sketchnotes und natürlich die Machine-Learning-Themen sehr spannend. Zu Machine-Learning habe ich bis jetzt erst technische Experimente gemacht. Was ich sehr spannend fand, war eure Herangehensweise.
Ich habe euren Architektur-Punsch sehr genossen und bin froh, ein Teil davon gewesen sein zu dürfen. Ihr habt das super organisiert und ich war voll und ganz zufrieden!
Es war auch einfach wieder mal schön mit sympathischen Leuten aus der Software-Entwicklung zu sprechen. Das fehlt halt schon manchmal. Ich hoffe, der Spuk ist bald vorbei und es ergibt sich wieder mal eine Gelegenheit, sich persönlich zu treffen.
In den Talks selbst empfand ich die Interaktion zwischen Vortragenden und Teilnehmenden als auch zwischen den Teilnehmenden besser als in manch anderen Veranstaltungen.
Die Mural-Boards waren sehr schön und verständlich gestaltet.
Danke für das liebevoll zusammengestellte Punsch-Paket! Ich war unter den ersten 24 und habe mich sehr darüber gefreut und die Gewürze gleich am Montag schon eingelegt.. :) umso besser wird der Punsch, er köchelt gerade schon im Hintergrund.